Bittprozessionen in Brakel

Aus der Vergangenheit ist bekannt, dass bei extremen Wetterlagen in den Kirchen mehrfach täglich Stundengebete durch den Pfarrer abgehalten wurden! Die jährlichen Prozessionen sollten das Übel abwenden. Die Menschen hatten kaum Erklärungen für außergewöhnlichen Wettersituationen und empfanden sie als Strafe Gottes. 

Es bildete sich ein kirchlicher Rhythmus heraus. Die üblichen Prozessionen sind an Fronleichnam und Maria Heimsuchung. Die Bitttage mit einem Flur-Umgang sind christliche Gebets- und Prozessionstage in den drei Wochentagen vor dem Fest Christi Himmelfahrt. Sie sind Ausdruck für den Dank für die Schöpfung und Natur. Üblich waren auch Mai-Andachten zugunsten der Gottesmutter Maria und ein geschmückte Mai-Altar der Kirche.

In Brakel waren diese Linden mit den dazu gehörigen Bildstöcken Ziel einer Prozession:

  • Montag: Ostheimer Linde an der Straße nach Erkeln
  • Dienstag: Lütkerlinde (Marienlinde) Bökendorfer Straße
  • Mittwoch: Antoniuslinde (Flechtheimer Feld) 
Vgl. Hubertus Halbfas, Führer Kleiner Führer St. Michael Brakel, hrgg. Katholisches Pfarramt 1961

Während dieser Bitt-Prozessionen wurde um eine gute Ernte gebetet, um die Abwehr von Gefahren und Gottes Segen für Wachstum und Gedeihen.  Auch Heiligenstatuen sind oft Stationen, sie werden als Fürsprecher angerufen. Die Prozessionen werden von der katholischen Kirche begleitet.

Auch in den Gemeinden des Pastoralen Raumes Brakel Land gibt es noch Bittprozessionen, heute meist eher unregelmäßig. Teilweise treffen sich die Gläubigen zweier Orte auf ihrem Weg durch die Gemeinde an einem Ort zwischen diesen. 
 

1876

Im Kulturkampf der Bismarck-Ära des Deutschen Reiches wurde im Kulturkampf die insbesondere die katholische Kirche in der Ausübung ihrer Dienste begrenzt und unter Beobachtung gestellt.

Schwester Apollinaris Jörgens schreibt im Heft 15 der Brakeler Schriftenreihe folgendes über die Prozessionen in Brakel.

Im Juni 1876 verlangte die Regierung von Minden eine Aufstellung aller ‚althergebrachten‘ Prozessionen im Stadt- und im Amtsbereich der Stadt Brakel – mi eingehender historischer Erläuterung. Es ist erstaunlich, wie viele Prozessionen damals stattfanden.

Aus der Meldung ergab sich die folgende Anzahl von Prozessen in den Orten. Alle Prozessionen seien uralte Tradition und würden seit Menschengedenken stattfinden, hieß es außerdem.

  • Beller        2
  • Bellersen  6
  • Erkeln       5 und jeden Sonntag Umzug um die Kirche
  • Istrup        ca. 25
  • Rheder     2
  • Riesel       2
  • Schmechten - aus Protest keine Meldung

Die Stadt Brakel versandte die Aufstellung nach Minden mit dem Hinweis:

Die Prozessionen lassen sich in drei Kategorien einteilen:

1. Zu dem Zweck, Gott öffentlich Lob und Ehre zu erweisen, auch zum Lob und zur Ehre verschiedener Heiligen.

2. Bittprozessionen um Erhörung besonderer Wünsche, z. B. um Erntesegen.

3. Gelobte Prozessionen, die ihren Ursprung in besonderen Anlässen haben.

1987

Die Tradition der Feier am fast 4 Meter hohen Waldkreuz "Großer Gott" in Rheder (Rh 1) wird durch den EGV (Eggegebirgsverein) wiederbelebt als "Wald'ler Messe". Dort treffen sich seitdem Gläubige zum Gottesdienst am Pfingstsonntag in der Nähe der Antoinettenburg auf 250 m Höhe. Gebetet wird für das Gedeihen der Feldfrüchte und den sorgsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen Boden, Wasser, Luft. Das Kreuz trät die Jahreszahl 1767
Literatur: Heft 28 Brakeler Schriftenreihe, S. 152

 

2022
Pfr. Msgr. Andreas Kurte schreibt 2022 in den Pfarrnachrichten des Pastoralen Raumes Brakeler Land: 
Prozessionen haben Signalfunktion. Wir ziehen durch unseres Städte und Dörfer und verschanzen uns nicht hinter dicken Kirchenmauern... Der Glaube will nicht nur im Kirchenraum gelebt werden. - Sinngemäß ergänzt d. V.: Der Glaube ist präsent in Wald und Feldflur, in der ganzen Natur. Davon künden die alten Traditionen und die große Zahl der Feldkreuze.  
 

 

Anmerkung:

In dem Artikel wird von ausufernden Karfreitagsprozessionen im 18. Jh. berichtet, die mit einem Trinkgelage endeten. Anteil hatten daran hatte die Maskerade (biblischer Gestalten), die bei den Karfreitagsprozession teilweise Brauch waren. Der Bischof von Paderborn versandte Ordnungsrufe im Land. Von Aktionen in Borgholz und Herstelle wird berichtet.

Zitat: „Bei jedem Kreuz im Dorf verrichtete man wie ‚Fußfälle‘. Die Menge betete sechs ‚Crux ave‘, drei ‚Vaterunser‘ und ‚Ave-Maria‘ – und zum Abschluss küssten sie die fünf Wunden Christi. Dabei kam es wiederholt zu tumultartigen Szenen [..].“ - Nach einer Reform des Prozessionswesens gab es eine Vorschrift von 1785/86, wie der Zug auszusehen umfasste 19 Punkten! Der Brauch hielt sich in Herstelle z. B. bis weit ins 19. Jahrhundert.“

Literatur: Hermann Multhaupt: Aufklärung gegen entartete Volksfrömmigkeit – Karfreitagsprozessionen endeten oftmals in Trinkgelagen und grobem Unfug. In: Die Warte 177/2018, S. 14.