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Gerta Thier, Brakel,  ist eine 1946 in Frohnhausen geborene Autorin

 

Sie ist für ihre Gedichtbände (ab 1982), Lesungen und Jahrbuch-Artikel bekannt. Ihre Themen sind Heimatgeschichten, Natur und Umwelt, Glauben und Pädagogik. 1990 erhielt sie eine Literaturauszeichnung der internationalen Academie Lutetia in Paris.

 

Dem vierten Gedichtband „Sinnfragen“ von 1992 sind die beiden Gedichte über die Landwirtschaft entnommen.

 

Stalltiere unter sich

 

In unseren Ställen gab’s früher Stroh,

Es brachte Wärme und machte uns froh.

 

Wir sehen die Sonne nur noch als Tierkinder,

Leben wie im Gefängnis als arme Sünder.

 

Massentierhaltung ist „in“.

Wir müssen fett werden, das liegt der Sinn!

 

In modernen Mastfabriken steh’n wir auf Gittern, Rosten,

Manche Kreatur liegt angeseilt auf ihrem Posten.

 

Schade, viele Menschen haben nur noch wenig Herz.

Wir brauchen Zugneigung und fühlen jeden Schmerz!

 

Viele Besitzer wollen das schnelle Geld,

Bei dem Werte nicht zählen, eine herzlose Wohlstandswelt.


Die Ferkelsau „Rosa“

 

Rosa, diese prächtige, rassige Sau,

Hat zwölfmal geworfen, ganz genau.

Sie brachte 177 Ferkel zur Welt

als bunte Mischung, für bares Geld.

 

In ihrem Strohstall, den sie mag,

Liegt und säugt sie sich durch den Tag.

Im Frühjahr graset sie auf Weiden,

Zuspruch liebt sie, den mag sie leiden.

 

Diese stabile Dreizentnerfrau

Kennt ihren Namen ganz genau.

Zum Gatter rennt sie im eiligen Schritt.

Schrotfutter mag sie, das hält sie fit.

 

So komm ich wieder zu dem Schluss:

Ein Tier mit echtem Familienanschluss

Lebt dankbar sein kurzes Leben!

Es versucht, sein Bestes zu geben.

Aus der Sicht eines Tieres beschreibt das Gedicht die Situation in modernen Ställen mit Spaltenboden. Viele Menschen sehen darin eine tierquälerische Haltung. Das trägt aber wenig zu einer fachlichen Sicht auf die moderne Tierhaltung bei. Denn heute geht es den Tieren tatsächlich besser als früher, und zwar unabhänig von der Stallgröße.. 

Bei der Sauenhaltung hat sich vieles geändert, das stimmt. Aber auch hier sucht man ständig nach kleinen und großen Verbesserungen.

Eine Sau mit 177 Ferkeln Lebensleistung war um 1990 schon eine stolze Leistung. Zwölf Würfe sind wohl dichterische Freiheit, das wären 15 Ferkel je Wurf. Damals brachte das Tier jährlich in zwei Würfen 20 Ferkel zur Welt und brauchte also für 177 Ferkel neun Jahre. Heute werfen Sauen knapp 30 Ferkel im Jahr und ein Tier bräuchte jetzt sechs Jahre dazu. Weil aber mit zunehmenden Alter die Vitalität der Ferkel nicht mehr gegeben ist, werden Sauen in der Regel nach drei Jahren Nutzungszeit wieder aussortiert.