wochenblatt titel 1605

 

Teil 22

„Geduldet, boykottiert, verboten“ - Jüdische Viehhändler

 

Der Handel mit Pferden und Schlachtvieh war schon vor dem Emanzipation 1808 eine traditionelle Tätigkeit der Juden auf dem Land. Sie hatten auch große Kenntnisse über Krankheiten und ihre Heilung und waren so nicht wegzudenken in diesem Bereich. Die Viehmärkte waren große und wichtige Veranstaltungen für alle Beteiligten. Dort bildete sich auch eine Geschäfts- und Umgangssprache der Juden untereinander und nicht wenige Worte fanden Eingang in die deutsche Umgangssprache. 

 

Der Handel mit Vieh in Westfalen war jahrhundertelang die Domäne jüdischer Händler. Sie kamen viel herum und hatten einen guten Überblick. Das war auch für die Bewertung von Zuchtvieh sehr nützlich. Die Mehrzahl der aufgebotenen Tiere war in der Hand von wenigen jüdischen Händlern, währende Landwirte und kleinere Händler nur wenig Vieh anboten. - Der Viehhandel mit Juden und Bauern ging trotzt Boykott und entsprechenden Kontrollen noch bis Anfang 1938 weiter. Das geschah teils an verborgenen Umschlagplätzen im Wald. Erst dann kam das endgültige Verbot, so wird es im Beitrag des Wochenblatts berichtet. 

 

Nebenbei: Eine hohe Zahl der Viehhändler war gleichzeitig auch Metzger. Und sie machten auch das rituelle Schächten für ihre Glaubensgenossen. Das ist Schlachten ohne Betäubung, die Tiere sind im Todeskampf. Das ist Vorschrift im Judentum und im Islam. Schweinefleisch ist nicht koscher (nicht rein, nicht erlaubt). 

 

Hinweis: Auch der Viehhandel in Brakel war traditionell weitgehend in der Hand jüdischer Familien. Pferde, Rinder, Schweine, Kleintiere wurden gehandelt und auf Weiden und Baulichkeiten in der Stadt und außerhalb gehalten.

 

Ein Zufallsfund (Paderbornsches Intelligenzblatt, Jg. 1818, Nr. 74, 16.09.1818, S. 752)* zeigt unter "vermischte Nachrichten", dass der hiesige Kram- und Viehmarkt (in Nieheim) nicht am 16. Okt., sondern am 18. Okt. 1818 stattfindet. Grund der Verlegung ist ein jüdischer Feiertag. - Das ist einerseits anerkennenswerte Rücksichtnahme im Zusammenleben, andererseits waren namentlich Viehmärkte ohne jüdische Händler nicht vorstellbar.

 

*Danke für den Hinweis an Ulrich Ernst, Potsdam (im Dez. 2023).   

 

     
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